a little bit of gospel history

 

1619 trafen die ersten 20 Sklaven im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia ein. Portugiesische und spanische Eroberer brachten die leibeigenen Diener aus den afrikanischen Kolonien in die "Neue Welt". Dort wurden sie unter Waffengewalt auf den großen Tabak- und Baumwoll-Plantagen zur Zwangsarbeit eingesetzt.

Musik der Verständigung
In den folgenden rund 250 Jahren der Sklaverei wurden fast 100 Millionen Schwarze nach Amerika verschleppt. Der wesentliche Teil ihrer Kultur war die Musikalität. Und es war meistens die einzige Form sich untereinander zu verständigen. Denn die Afrikaner kamen aus unterschiedlichen Stämmen mit unterschiedlichen Sprachen und wurden bewusst getrennt. Bereits auf den Schiffen sollen sie ihre traurigen, mutmachenden Lieder gesungen haben. Während der Arbeit ging es in den "Worksongs", "Calls" oder "Cires" um das gleichmäßige Ausführen von Arbeitsabläufen. Das emotionale Singen und Tanzen der Sklaven bei der Arbeit und Versammlungen war wie in afrikanischen Riten ein lebensnotwendiger Ausdruck ihrer Identität.

Viele Sklavenhalter versuchten schon früh Ihre Sklaven nach dem weißen Ideal zu "zivilisieren" und unter den christlichen Glauben zu bekehren. Mit der Erweckungsbewegung Ende des 18. Jahrhunderts kamen besonders die Freiversammlungen der Methodisten und Baptisten besonders gut bei den Sklaven an. Auf diesen Camp Meetings wurden Psalmen und Choräle langsam von den Predigern vorgesungen und von der Menschenmenge nachgesungen. Zunehmend identifizierten sich die Sklaven mit der Leidensgeschichte Jesu und nutzten die Musik als eine der wenigen ihnen verbleibenden Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei versteckten sie ihre Anliegen hinter christlichen Metaphern.

Auf dieser Grundlage entstanden die "Negro Spirituals" (wörtlich: "geistliche Lieder der Neger"). Die Spiritual-Texte sind fast ausschließlich religiösen Inhalts und beschreiben meist Situationen aus dem Alten und Neuen Testament, die denen der Sklaven ähnliche sind. Sie erzählen von dem Leben geschlagener, geschundener und sehnsüchtiger Menschen, von ihren Hoffnungen und ihrem Glauben an Gott. Es entstanden eigenständige schwarze Kirchen, in denen Musik, Tanz und Gesang ein untrennbarer Bestandteil der schwarzen Gottesdienste war.

Geheimes Kommunikationsmittel
Der Fluchtgedanke war bei den Sklaven immer präsent. Ab 1838 organisierten Gegner der Sklaverei die "Underground Railroad". Das Wann, Wo und Wie der organisierten Flucht wurde oft in den Gesängen verstecket. So wurde eine religiös kodierte Sprache entwickelt: Das Gebiet auf der nördlichen Seite des Ohio River, den man in der verschlüsselten Sprache als "Jordan" umschrieb, war das Gebiet ohne Sklaverei und wurde als "my home", "Sweet Canaan" oder "the Promised Land" bezeichnet. Die Flüchtlinge wateten durch das Wasser ("Wade in the Water"), um die Hunde der Verfolger abzuschütteln. In "Swing Low, Sweet Chariot" könnte "Chariot" für das Sternbild des Großen Waagens stehen, der im Frühling kurz nach Sonnenuntergang seinen tiefsten Punkt erreicht. Oder es sind die Züge gemeint, die vom Süden in den Norden fuhren und an die an Steigungen oft so langsam waren, dass ein Aufspringen möglich war.

Die Gute Nachricht
Der Begriff Gospelsongs wurde in einem gedruckten Werk vermutlich zum ersten Mal 1874 von Philipp P. Bliss (* 9. Juli 1838, † 20. Dezember 1876) für seine religiöser Lieder verwendet. Als Vater des Gospels wird heute Thomas Andrew Dorsey (* 1. Juli 1899, † 23. Januar 1993) gesehen. Der Sohn eines Baptistenpredigers und einer Klavierlehrerin studierte Komposition und Arrangement und arbeitete in seiner Jugend als Klavierbegleiter und Gesangslehrer für Bluessängerinnen wie Bessie Smith und Ma Rainey. Bekannt wurde er als führender Bluespianist unter dem Namen Georgia Tom. Persönliche Tragödien brachten ihn dazu, die weltliche Musik hinter sich zu lassen und seine eigenen Kompositionen, die er "gospel music" nannte, zu schreiben und aufzunehmen. Unzufrieden mit der Behandlung der etablierten Musikverlage gegenüber den Komponisten schwarzer Musik gründete er mit "Dorsey House of music" 1932 in Chicago den ersten Verlag für Black Gospel Musik. Zu seinen bekanntesten Hits zählt "Take My Hand, Precious Lord" der von Mahalia Jackson gesungen wurde und zu den Lieblingsliedern Rev. Martin Luther King Jr. gehörte.

Geprägt wurde der Begriff Gospel jedoch erst Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Gospel (von englisch: gospel = Evangelium, Gute Nachricht; hergeleitet vom altenglischen gōdspel, gōd = gut und spel = Erzählung, Nachricht) oder Gospelmusik bezeichnet christliche afroamerikanische Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, im engeren Sinne die religiösen Lieder der afroamerikanischen Kirchen. Sie sind als "black gospel" eine Weiterführung der Spirituals unter starker Einbeziehung von Jazz- und Blueselementen.

Als Contemporary Black Gospel ("zeitgenössischer Gospel") wird der Black Gospel zusammengefasst, der sich seit den 80er Jahren entwickelt hat. Im Wesentlichen schließt er die zeitgenössischen Komponisten ein und bewegt sich ein einem Dreieck aus kompositorischer Avantgarde (z.B. Kirk Franklin, Richard Smallwood), großstädtischen Funk- und Pop-Einflüssen (The Commissioned), und mächtigem Mass-Choir-Sound (z.B. Chicago Mass Choir) .

Diese Musik - mit Ausnahme des extrem poppigen Bereichs - wird zurzeit in den schwarzen Kirchen der vereinigten Staaten im Gottesdienst eingesetzt und aktiv weiterentwickelt. Während ein Teil dieser Musik also Pop-Einflüsse aufnimmt und damit durchaus die Skepsis konservativer Gläubiger erntet, macht sich ein anderer Teil dieser Musik auf, wieder die führende Kraft schwarzer Musik insgesamt zu werden.

Zeichen der Hoffnung
Entsprungen ist der Gospel der Ohnmacht und Depression der Unterdrückung. Doch Gospel schöpft aus spiritueller Erfahrung, packender Lebensfreude und mitreißenden Rhythmen afro-amerikanischer Nachfahren der afrikanischen Sklaven in Amerika des 18. Jahrhunderts.

Somit ist diese Musik ein Zeichen der Hoffnung auf eine bessere Zeit und bis heute Ausdruck tiefer Spiritualität und des Gottvertrauens der afroamerikanischen Gemeinden in Nordamerika und mittlerweile unzähliger begeisterter Anhänger weltweit und in allen Kulturkreisen!

Wer denkt, dass Gospel sich damit in bekannten musikalischen Grenzen bewegt, der irrt gewaltig! Aus den groovigen Rhythmen entstanden Musikgenres wie Jazz, Soul, R&B, Hip Hop, Rap und sogar House - Gospel ist also aktuell wie nie zuvor!

Eine Zusammenstellung von Marcus Parkin
 

(1967-2013 | In liebevoller Erinnerung)

Quellen:

Bil Carpenter, Mavis Staples, Edwin Hawkins: Uncloudy Days: The Gospel Music Encyclopedia, Backbeat Books (2005), ISBN-13: 978-0879308414

Teddy Doering: Gospel, Musik der guten Nachricht und Musik der Hoffnung, Aussaat (1999), ISBN-13: 978-3761551219

Michael W. Harris: The Rise of Gospel Blues, The Music of Thomas Andrew Dorsey in the Urban Church, Oxford University Press (1994), ISBN-13: 978-0195090574

Micha Keding: Der Einfluss der Gospelmusik auf den Jazz zwischen 1950 und 1970, Diplomica (2005), ISBN-13: 978-3832489571

Theo Lehmann: Negro-Spirituals. Geschichte und Theologie, Hänssler-Verlag (1996), ISBN-13: 978-3775126342

Eileen Southern: The Music of Black Americans: A History, W. W. Norton & Company (1997), ISBN-13: 978-0393971415

Gospelzene.de: Lexikon.

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